Disney wagt sich mit einer neuen „Schneewittchen“-Verfilmung an einen echten Klassiker. Während das Studio verspricht, eine modernisierte und zeitgemäße Version der Geschichte zu präsentieren, sorgt der Film bereits vor seiner Veröffentlichung für heftige Diskussionen. Die größten Kontroversen drehen sich um die Neugestaltung der Hauptfigur, die Besetzung der sieben Zwerge sowie die Frage, inwieweit das Märchen überhaupt noch als solches erkennbar bleibt.
Schneewittchen – Eine moderne Heldin oder nur eine blasse Symbolfigur?
Ein zentraler Aspekt der Neuverfilmung ist die Art und Weise, wie die Titelfigur interpretiert wurde. In der ursprünglichen Version von 1937 war Schneewittchen ein sanftmütiges, gutherziges Mädchen, das in der Welt verloren war und auf Hilfe angewiesen war. Kritiker der alten Version bemängeln, dass sie eine passive Märchenfigur sei, die nicht selbstbestimmt handelt. In der neuen Adaption wurde dieser Aspekt überarbeitet: Schneewittchen ist nun selbstbewusst, unabhängig und auf keinen Prinzen angewiesen.
Grundsätzlich ist es nichts Neues, Märchenfiguren an moderne Werte anzupassen – und das kann durchaus funktionieren. Doch in diesem Fall wirkt die Umsetzung eher unausgereift als inspirierend. Anstatt einer tiefgründigen, nachvollziehbaren Entwicklung der Figur erhalten wir eine Art Schablonen-Version einer „starken weiblichen Heldin“. Sie handelt zwar unabhängig, doch es fehlt ihr an emotionaler Tiefe und glaubwürdiger Motivation. Es wirkt fast so, als habe man die Charakterentwicklung einfach übersprungen und sich darauf verlassen, dass das bloße Umschreiben alter Rollenbilder ausreicht, um eine überzeugende Figur zu erschaffen. Das Problem dabei: Ein Charakter wird nicht nur durch seine äußeren Eigenschaften interessant, sondern durch seinen inneren Konflikt und die Art, wie er wächst. Und genau das fehlt hier einfach.
Die sieben Zwerge – Eine Debatte um Repräsentation
Ein weiteres heiß diskutiertes Thema ist die Entscheidung, die sieben Zwerge nicht mit kleinwüchsigen Schauspielern zu besetzen, sondern durch CGI zu ersetzen. Diese Wahl wurde insbesondere von Schauspieler Peter Dinklage scharf kritisiert, der sie als „Rückschritt“ bezeichnete. Die Produktion wollte offenbar Klischees vermeiden, hat aber möglicherweise das Gegenteil erreicht: Anstatt eine differenzierte, moderne Darstellung kleinwüchsiger Figuren zu liefern, wurden sie einfach gestrichen und durch generische CGI-Wesen ersetzt.
Die Ironie dabei: Während sich die Filmindustrie bemüht, Diversität zu fördern, führt genau dieser Ansatz zu einer unsichtbaren Exklusion einer ganzen Gruppe von Schauspielern, die ohnehin schon nur wenige Rollenangebote erhalten. Anstatt kleinwüchsigen Darstellern eine Chance auf eine respektvolle, facettenreiche Darstellung zu geben, entschied man sich für eine technisch generierte „Lösung“, die letztlich keinem hilft und im Internet für Entsetzen sorgte.
„Woke-Kino“ – Zwischen notwendigem Wandel und künstlicher Überkorrektur
Der Begriff „Woke-Kino“ fällt in diesen Diskussionen zwangsläufig immer wieder. Die Idee, klassische Geschichten in einen modernen, inklusiveren Kontext zu setzen, ist an sich nichts Schlechtes. Es ist wichtig, dass Film und Kultur sich weiterentwickeln. Doch wenn diese Anpassungen auf Biegen und Brechen vorgenommen werden, ohne Rücksicht auf die ursprüngliche Geschichte, Charaktertiefe oder narrative Kohärenz, dann entsteht ein Problem.
Ein Märchen wie „Schneewittchen“ lebt von seiner einfachen, symbolhaften Erzählweise. Wenn jedoch so viele Elemente verändert werden, dass das Ursprungsmaterial kaum noch erkennbar ist, stellt sich die Frage: Warum nennt man es dann überhaupt noch „Schneewittchen“? Es gibt nichts gegen neue, frische Geschichten einzuwenden – aber wenn ein Klassiker so radikal umgestaltet wird, dass er nur noch in seinem Namen existiert, könnte man ebenso gut eine komplett neue Erzählung schreiben.
Rachel Zegler – Solide Leistung, aber mit wenig Herzblut?
Ein weiterer Faktor, der die Wahrnehmung des Films beeinflusst, ist die Hauptdarstellerin Rachel Zegler. Ihre schauspielerische Leistung ist technisch solide: Sie trägt ihre Dialoge sauber vor, hat eine starke Gesangsstimme und setzt die modernisierte Schneewittchen-Version konsequent um. Doch trotzdem bleibt eine gewisse Distanziertheit spürbar. Während frühere Darstellerinnen – ob animiert oder real – die Figur mit viel Charme und Herzlichkeit gefüllt haben, wirkt Zeglers Schneewittchen oft unterkühlt und emotionslos.
Ein möglicher Grund für diese Wahrnehmung liegt in ihren öffentlichen Aussagen über den Film. Bereits vor der Veröffentlichung äußerte sich Zegler mehrfach wenig begeistert über das Original und erklärte, dass sie sich nicht als Fan der Geschichte sehe. Solche Aussagen kommen bei einem Publikum, das eine emotionale Bindung zum Klassiker hat, naturgemäß schlecht an. Das bedeutet nicht, dass jeder Schauspieler eine Rolle lieben muss, um sie gut zu spielen. Aber das Publikum will Glaubwürdigkeit spüren – und wenn eine Schauspielerin sich scheinbar so wenig mit der Figur identifiziert, fällt es schwer, ihrer Darstellung emotional zu folgen.
Ob diese Kritik berechtigt ist oder nicht, bleibt subjektiv. Aber es zeigt, dass Marketing und öffentliche Kommunikation eines Films inzwischen fast genauso wichtig sind wie der Film selbst. Eine Schauspielerin, die sich diplomatischer über die Vorlage geäußert hätte, hätte sich viele dieser Diskussionen vermutlich erspart.
Neuinterpretationen von Klassikern – Fluch oder Segen?
Das Phänomen, alte Geschichten in einer neuen Verpackung zu präsentieren, ist nicht neu. Disney hat es mit „Der König der Löwen“, „Die Schöne und das Biest“ oder „Arielle“ bereits mehrfach getan. Doch die Frage bleibt: Wird dadurch wirklich etwas Neues geschaffen, oder geht es nur um eine kommerziell verwertbare Wiederverwertung alter Stoffe?
Es scheint, als sei die heutige Filmindustrie zunehmend risikoavers. Anstatt völlig neue, innovative Geschichten zu erzählen, greift man auf bekannte Stoffe zurück – weil diese einen eingebauten Nostalgie-Bonus haben und ein sicheres Publikum garantieren. Doch wenn diese Klassiker zu stark verändert werden, verlieren sie ihre ursprüngliche Magie und ihren Wiedererkennungswert. Es entsteht eine Art „Identitätskrise“ der Filmkultur: Einerseits will man die Vergangenheit ehren, andererseits sie radikal umschreiben.
Fazit – Ein Film zwischen Anspruch und Realität
Die neue „Schneewittchen“-Verfilmung ist ein Paradebeispiel dafür, wie schwierig es ist, einen Klassiker in die moderne Zeit zu überführen. Die Idee, Schneewittchen als stärkere Heldin zu präsentieren, ist an sich nicht falsch – doch die Umsetzung bleibt oberflächlich. Die Entscheidung, die sieben Zwerge durch CGI-Figuren zu ersetzen, ist gut gemeint, aber problematisch. Rachel Zeglers Leistung ist solide, leidet aber unter mangelnder Identifikation mit der Figur.
Wer mit einer offenen Haltung an den Film herangeht und sich nicht an Veränderungen stört, könnte Gefallen an der modernisierten Version finden. Wer jedoch hofft, den Geist des Originals wiederzufinden, wird wohl eher enttäuscht sein. Letztlich bleibt die Frage: Ist es wirklich notwendig, jede klassische Geschichte zwanghaft zu modernisieren – oder sollten wir stattdessen neue Geschichten erzählen, die die heutigen Werte von Anfang an in sich tragen?

Aussage von Rachel Zegler
Einfach nur lustig 😂