Der Schnee – Feuer – Schuld und der Tod

Gleich zu Beginn muss ich mich beschweren, denn dieser Buchtitel ist einfach eine Katastrophe – und solche Bücher lasse ich oft liegen. Es stört mein Ordnungsbedürfnis, und ich frage mich immer, was in diesem Verlag vorgegangen sein muss, denn eigentlich sollten sie das Buch doch lektorieren und massentauglich machen. Aber egal, dieses Buch von Gerhard Jäger ist wirklich gelungen und hat mich die ganze Zeit über unglaublich spannend unterhalten. Die Geschichte, die aus der Perspektive des Protagonisten erzählt und aufgearbeitet wird, ist hervorragend umgesetzt. Ein halbes Jahrhundert in die Vergangenheit zurück, in ein abgelegenes Dorf in den Bergen – ein Szenario, das sich heute kaum noch jemand vorstellen kann. In einer solchen Umgebung als verwöhnter, studierter Fremder zu leben, umgeben von hart arbeitenden Dorfbewohnern, und sich das Vertrauen jedes Einzelnen mühsam zu erarbeiten, hat der Autor meisterhaft dargestellt. Diese abgelegenen Dörfer waren auf eine ganz eigene Art hart und entbehrungsreich, da hier alles in strengen Normen und Regeln ablief. Man konnte nicht einfach tun oder leben, wie man wollte, und das Leben war unbarmherzig. Es gab klare Vorschriften und viele ungeschriebene Gesetze. Ich bin wirklich froh, in unserer heutigen Zeit geboren zu sein.

Diese bildgewaltige Erzählung schildert all dies eindrücklich, und das ist einfach Kunst. Spannend und fesselnd, mit präzisen Sätzen, die faszinieren und einen direkt in diese Bergwelt entführen. Sie zeigen die Einsamkeit und den Verlust des Selbst im Wechsel der Jahreszeiten, bis zum Höhepunkt im Winter, als ein ganzes Dorf ums Überleben kämpft. Die gewaltigen Schneemassen und die Lawinen holen Stück für Stück das Dorf, und auch einige Einwohner lassen hier ihr Leben. Der Protagonist verarbeitet aus der Perspektive eines Schriftstellers seine eigene Geschichte an diesem unwirklichen Ort, was dazu führt, dass er in dieser Welt feststeckt und nicht mehr zurück nach Hause finden kann. Die Liebe, wie sie schon oft in der Literatur und im Film thematisiert wurde, ist auch in diesem Buch die treibende Kraft und verkompliziert alles noch mehr, als es ohnehin schon ist.

Das Ende war für mich nicht ganz so überraschend, da ich, relativ spät, etwa bei Seite 200, eine Vermutung hatte, die sich dann bestätigte. Doch das Gerüst, um diese Aufarbeitung mit einer Geschichte innerhalb einer Geschichte zu verbinden, ist grandios umgesetzt. Auch in Sachen Kapitellänge und Struktur der Abschnitte hat der Autor eine ausgewogene Balance gefunden, die den Lesefluss fördert. Das Cover passt ebenfalls gut, und das einzige Manko bleibt, wie bereits erwähnt, der Buchtitel selbst.

Wie man hoffentlich merkt, hat mich dieses Buch völlig abgeholt, und ich hätte fast Lust, hier einzelne Textpassagen zu zitieren, denn in diesem Roman finden sich so viele gute Absätze. Das hat mich beeindruckt, so zu schreiben. Für alle, die fesselnde Geschichten mit düsterer Atmosphäre lieben, werden hier auf jeden Fall belohnt. Meine uneingeschränkte Empfehlung! 📚✨

Anmerkung: Die Geschichte von Gerhard Jäger ist fiktiv, aber stark von historischen Ereignissen inspiriert, insbesondere von den dramatischen Lawinenkatastrophen, die in den 1950er Jahren die Alpenregion heimsuchten.

Link: Zum Artikel auf Wikipedia Lawinenwinter 1951.

Buchinformation
Der Schnee, das Feuer, die Schuld und der Tod
Gerhard Jäger
Blessing Verlag
2016
ca. 400 Seiten


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