
Was tut man, wenn man mit 50 alles verliert? Ich meine wirklich alles – das Haus wird zwangsversteigert und der gesamte Prozess hat das letzte Geld verschlungen. Zu zweit und ohne Rücklagen, nur noch der Weg zum Sozialhilfeamt und Jobcenter bleibt. Dabei war man doch immer selbstständig und autark, und plötzlich steht man vor den Trümmern seiner Existenz. Genau so geht es Ray und Moth. Und als wäre das nicht genug, bekommt Moth auch noch die Diagnose, dass er bald sterben wird.
Ich wüsste nicht, wie man mit so einer Situation umgehen sollte, aber diese beiden Menschen zeigen uns einen Weg, der einfach nur bewundernswert ist. Statt auf die Sozialhilfe zu warten und bei Bekannten auf dem Sofa zu schlafen, beschließen sie, den South West Coast Path zu gehen – 1014 Kilometer entlang der Küste von Großbritannien. Mit wunderschönen Bildern im Kopf und der Entschlossenheit, diesen Pfad zu gehen, kämpft Ray mit ihrer Angst und Moth mit seiner Diagnose.
Dem Wind und Wetter ausgeliefert zu sein, ist nicht einmal das Schlimmste, aber die Reaktionen der Menschen, denen sie begegnen, die Reaktionen, die sie erhalten, weil sie obdachlos sind, sind doch ein Spiegel unserer Gesellschaft. Diese Reaktionen fügen ihnen Wunden zu, die oft tiefer gehen als die physischen Herausforderungen, mit denen sie in der freien Natur konfrontiert sind. Obdachlosigkeit, Wind, Wetter und die Ablehnung der Gesellschaft werden so zu ihren täglichen Begleitern.
Zu zweit trotzen sie allem und wachsen noch stärker zusammen. Eine Hommage an die Liebe, die hier genauso gefeiert wird wie der unerschütterliche Glaube daran, dass es schon weitergehen wird.
Die Autorin Raynor Winn, die auch gleichzeitig Ray ist, schreibt ein gut verständliches und leicht lesbares Buch. Die Kapitellängen sind angemessen und das Layout ansprechend. Das Cover gefällt mir sehr gut und rundet das Leseerlebnis perfekt ab.
Dieses Buch hat mich tief berührt. Es kam genau zur richtigen Zeit und zeigt, dass es immer irgendwie weitergeht, auch wenn es im Moment hoffnungslos erscheint. Dieses autobiografische Buch ist keine leichte Kost, aber gerade deswegen ist es lesenswert, weil es uns aus unserer Komfortzone holt. Ich kann es nur wärmstens weiterempfehlen. 📚✨
Buchinformation
Der Salzpfad
Raynor Winn
DuMont Buchverlag
2019
ca. 400 Seiten
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