In den 1960er Jahren wurde am MIT ein Programm entwickelt mit dem Namen ELIZA. Also lange vor neuronalen Netzen und riesigen Sprachmodellen wurde die Art und Weise, wie wir mit Maschinen kommunizieren, für immer verändert. Das Programm wurde zwischen 1964 und 1966 vom Informatiker Joseph Weizenbaum entwickelt. Damit war ELIZA eines der ersten Computerprogramme, das ein Gespräch mit einem Menschen simulieren konnte. Allerdings ohne echtes Verständnis oder Bewusstsein.
Einfache Technik mit überraschende Wirkung
ELIZA funktionierte nicht mit künstlicher Intelligenz im heutigen Sinne, sondern mit einfachen Regeln: Das Programm durchsuchte Nutzeräußerungen nach Schlüsselwörtern und reagierte mit vorbereiteten Antwortmustern. Besonders bekannt wurde das „DOCTOR“-Skript, das ein therapeutisches Gespräch imitierte. Wenn ein Nutzer etwa schrieb: „Ich bin traurig“, antwortete ELIZA möglicherweise: „Warum sagst du, dass du traurig bist?“ – eine Technik, die an die klientenzentrierte Gesprächstherapie nach Carl Rogers angelehnt war. ELIZA verstand weder Psychologie noch Emotionen, sie spiegelte lediglich die Eingaben des Nutzers in leicht veränderter Form zurück.
Der ELIZA-Effekt
Was ELIZA so faszinierend machte, war nicht ihre technische Raffinesse, sondern die Reaktion der Nutzer: Viele begannen, dem Programm echte Empathie und Intelligenz zu unterstellen. Manche wollten sogar allein mit ELIZA sprechen, als wäre sie ein vertrauenswürdiger Gesprächspartner. Dieses Phänomen – dass Menschen Maschinen menschliche Eigenschaften zuschreiben, obwohl diese objektiv nicht vorhanden sind – wurde als ELIZA-Effekt bekannt. Es zeigt: Unser Bedürfnis nach Resonanz und Verständnis ist so stark, dass schon einfache Mechanismen ausreichen, um Vertrauen und emotionale Bindung zu erzeugen.
Von ELIZA zu modernen Sprachmodellen
Heute arbeiten wir mit Large Language Models (LLMs) wie GPT, Claude oder LLaMA. Diese Systeme analysieren Sprachmuster auf statistischer Basis, erkennen komplexe Zusammenhänge und können zu fast jedem Thema flüssige Antworten generieren. Doch trotz aller Fortschritte bleibt eine fundamentale Parallele zu ELIZA: Auch moderne KI-Systeme verstehen im menschlichen Sinne nicht. Sie simulieren Verständigung – weit überzeugender als ELIZA, aber ohne Bewusstsein, Absicht oder echte Empathie. Was sich geändert hat, ist die Tiefe der Simulation, nicht ihr prinzipieller Charakter.
ELIZA als Mahnmal und Spiegel
ELIZA wurde in den letzten Jahren technisch wiederbelebt, etwa durch Emulationen historischer Quellcodes. Das zeigt: Das Interesse an den Anfängen der KI ist ungebrochen. ELIZA war der erste Beweis dafür, dass Sprache allein ausreicht, um Nähe und Bedeutung zu erzeugen – selbst wenn auf der anderen Seite nur ein Regelwerk steht. In Zeiten von KI-generierten Texten, virtuellen Assistenten und digitalen Therapeut:innen bleibt ELIZA eine Mahnung: Wir dürfen nicht vergessen, dass Maschinen keine Gefühle haben, auch wenn sie sie überzeugend nachahmen können.
Was sehen wir wirklich in Maschinen?
ELIZA führt uns zu einer zentralen Frage: Wie sehr projizieren wir unsere eigenen Bedürfnisse, Ängste und Hoffnungen auf Technik? Moderne Sprach-KIs sind keine Gesprächspartner im psychologischen Sinne – sie sind mathematische Modelle, die Text produzieren. Und doch entwickeln viele Nutzer eine emotionale Bindung, schreiben der KI Persönlichkeit zu oder fühlen sich verstanden. Weizenbaum selbst warnte später vor den Gefahren dieser Fehlwahrnehmung: Wenn Technologie menschliches Verhalten imitiert, ohne menschliches Verständnis zu besitzen, kann das zu gefährlichen Illusionen führen – besonders, wenn Nutzer den Unterschied nicht erkennen.
Ein Wendepunkt in der Mensch-Maschine-Interaktion
ELIZA war kein Meilenstein der Rechenleistung, aber ein Wendepunkt in der Art, wie wir mit Maschinen umgehen. Sie zeigte, dass das, was wir für Intelligenz halten, oft eine Projektion ist. Und sie erinnerte uns daran, dass es in der Kommunikation mit Maschinen nicht nur um Technik geht, sondern um Psychologie, Ethik und Verantwortung. Je glaubwürdiger KI wird, desto wichtiger ist es, die Grundlagen zu verstehen. ELIZA ist nicht nur ein historisches Denkmal, sondern auch ein Spiegel. Der uns zeigt wie weit wir gekommen sind und wie schnell wir vergessen können, was wirklich menschlich ist.
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